Sie sind hier: Haus Wittringen
Samstag, 23.09.2023

Der Wittringer Wald im Wandel der Zeit

Haus Wittringen©Michael Korn
Buchenhochwald©Michael Korn
Parklandschaft Wittringen©Michael Korn

Der naturgeschichtliche Kenntnisstand über den Wittringer Wald ist sehr spärlich. Kulturhistorisch liegen einige Daten vor, die sich um die Besitzerfolge und die Baugeschichte des Hauses Wittringen drehen. Die erste urkundliche Erwähnung des Namens Wittringen stammt aus dem Jahre 1236, Ludolfus de Wittringe. Da zu dieser Zeit feudalistische Strukturen vorhanden waren, darf vermutet werden, dass es einige historische Waldbenutzungsformen auch im Wittringer Wald gegeben hat. Der Wald war im Mittelalter ein Hauptwirtschaftsfaktor und die ökonomische Grundlage des Adels.

So war es gang und gäbe, große Waldflächen als Walweide zu nutzen. Die Adelsherren vergaben in ihren Besitzungen die Nutzungsrechte zur Waldweide an die Bauerschaft der Umgebung, die dafür Abgaben zahlen musste. Die Nutzung erstreckte sich vom Mai (Blumenhute) über den Herbst bis zum Winter (Eichel – und Bucheckernmast). Auf Dauer führte dieser Eingriff in die Natur zur Überweidung und zu beträchtlichen Waldschäden: Verbiss, Viehtritt, massive Beschädigungen der Bäume und, was viel schlimmer war, es fand keine Naturverjüngung des Waldes mehr statt. Die verstärkte Stallhaltung war in der Wirkung für den Wald nicht weniger schädlich. Denn nun gewann man Streu durch Abplaggen, das bedeutet, die obere Auflageschicht im Wald wurde entfernt und als Stalleinlage genutzt. Die Böden verarmten und es entstanden Heideflächen. Der Straßenname Dorfheide lässt ahnen, dass es auch im Dorf Gladbeck Heide gegeben hat.

Nach den Zeiten des Mittelalters, wo Raubbau und die Übernutzung der Natur an der Tagesordnung waren, setzte Mitte des 18. Jahrhunderts und verstärkt zu Beginn des Jahrhunderts eine intensive Aufforstungstätigkeit ein. Das Aussehen des Wittringer Waldes heute wurde im starken Maße durch die gegenwärtige und besonders historischen Bewirtschaftungsformen geprägt. Niederwälder bildeten lange Zeit die vorherrschende Bewirtschaftungsform. Zur Erneuerung des Waldes nutzte man die Ausschlagfähigkeit bestimmter Gehölze (Hainbuche, Esche, Linde, Erle, Weide und Eiche), die in der Lage sind, aus ihren Stümpfen neue Triebe (Stockaustriebe) auszubilden. Die auf diese Weise bewirtschafteten Wälder wurden in Umtriebszeiten von 10 bis 25 Jahren geschlagen. Die Niederwaldwirtschaft ist heute nicht mehr in Gladbeck anzutreffen. Aber Ortsnamen wie Ellinghorst weisen auf diese Bewirtschaftungsformen hin, im Mittelniederdeutschen wird der Begriff „Horst“ als Krüppelholz oder niedriges Gestrüpp beschrieben.

Die Forstwirtschaft heute bevorzugt Hochwälder, weil diese wirtschaftlich ertragreicher sind und größere Mengen Holz liefern. Zum Hochwald rechnet man alle Bestände, die als Kernwüchse aus Samen hervorgegangen sind. Die Umtriebszeit beträgt bei der Buche 120 – 140 Jahre, die ältesten Bestände des Hochwaldes im Wittringer Wald sind etwa 180 – 220 Jahre alt. Leider mussten die Buchenveteranen in heutiger Zeit bedingt durch forstliche Bewirtschaftungsmaßnahmen um den Bestand zu verjüngen, wie Schirmschlag oder Femelschlag schon einige Plätze für Jungbäume räumen.

In dem Jahr 1922 erwarb die Stadt Gladbeck das Haus Wittringen und den angrenzenden Wittringer Wald. Mit dem Aufkommen des Industriezeitalters gab es wieder große Veränderung, von der alten bäuerlichen Kulturlandschaft zu einer durch den Bergbau geprägten Industrielandschaft. Dass dies nicht spurlos am Wittringer Wald vorbeigegangen ist, versteht sich wohl von selbst. Das waldreiche Gladbeck hatte besonders in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts durch den Einzug des Bergbaus viel von seinem grünen Reichtum verloren. Besonders durch den untertägigen Abbau der Steinkohle wurde der Wittringer Wald in seiner Existenz gefährdet. An der Oberfläche entstanden Bergsenkungen, die sich mit Grund – und Oberflächenwasser füllten. So schreibt Dr. Jovy, Oberbürgermeister der Stadt Gladbeck um 1918, das Haus Wittringen und die ganze Umgebung lägen meterhohem Sumpf vergraben. Große Teile des Wittringer Waldes waren abgestorben. Mit der Regulierung des Wittringer Mühlenbaches, die um 1918 begann und mit der Trockenlegung der Bergsenkungssümpfe konnte sich der Wald wieder erholen.

Dass diese erheblichen Eingriffe in die Lebensgemeinschaft Wald nicht ohne Konsequenzen an der Tier – und Pflanzenwelt geblieben sind, ist wohl verständlich. So schreibt Eugen Pohl, Museumswart von 1920 bis 1947 und Naturschutzbeauftragter, Folgendes in einem Zeitungsartikel vom 28. November 1934. „Die frei lebende Tierwelt im Wittringer Wald.“ Mit dem Fortschreiten der Industrie und Siedlung wird meist nicht nur die Ursprünglichkeit der Landschaft sondern auch die Tierwelt in ungünstiger Weise verändert. Nur vereinzelten Tierarten gelingt es, sich veränderten Lebensbedingungen anzupassen. Auch der Zweite Weltkrieg brachte den Wittringer Wald nichts Gutes, in Notzeiten war er Holzlieferant, und die Kriegsschäden waren beträchtlich. Der Wald glich einer Mondlandschaft, mit sage und schreibe 50 Bombentrichtern war er übersät.

Ein Wiederaufforstungsprogramm, das im Jahr 1953 begann und bis 1973 dauerte, konnte die größten Schäden beseitigen. Die Versplitterung älterer Laubwaldbestände machen bei einer Gesamtwaldfläche 174 ha im stätischen Besitz mit 60 ha gleich 35% vom Waldbestand aus, vor allen bei Buchen und Eichen in Schultendorf und im Wittringer Wald ist die Vermarktung des Holzes ein schwieriges Unterfangen. Dieses Holz kann nicht gesägt, sondern nur gespalten werden, das bedeutet eine beschränkte Verwendbarkeit und die Erlöse aus dem Holzverkauf ist gering. Durch die starke Bejagung in den Kriegsjahren gingen die Bestände von Rehwild und Niederwild im Wittringer Wald stark zurück.

Michael Korn